Heute habe ich einen Gast. Eine tolle Autorin. Aber bei diesem heiklem Thema möchte sie anonym bleiben, denn es ist eine ganz besondere Geschichte, die sie uns heute erzählen wird.
Sie öffnet ein ganzes Stück Privatsphäre und stößt mit ihrer Geschichte nicht nur auf Zustimmung – das ist ihr und auch mir bewusst. Trotzdem möchte ich ihr den Raum geben, sie erzählen zu können.
Verliebt in einen Familienvater
Jahrelang habe ich eine Ehe aufrechterhalten, die von Seitensprüngen versehrt war. Verletzungen, Misstrauen und Eifersucht haben mich regelrecht zermürbt. Es war ein langer und mühsamer Weg, bis ich den Schritt gewagt habe, meinen Mann vor die Tür zu setzen. Lange habe ich ihn in Schutz genommen und den Frauen allein die Schuld in die Schuhe geschoben. Den Frauen, die ihn „verführt“ haben und auch mir, die ich ihm offenbar nicht ausgereicht habe. Seit zwei Jahren bin ich nun alleinerziehende Mutter und bereut habe ich meine Entscheidung bis heute nicht. Es hat geschmerzt, ja. Ich habe ihn vermisst, sehr. Doch geändert hat er sich bis heute nicht, wie er in den Beziehungen, die er nach mir hatte, bewiesen hat.
Das Bild der heilen Familie, das wir bis zu unserer Trennung wenigstens nach außen gewahrt hatten, ist für immer zerstört. Nicht selten quälen mich deshalb mein Gewissen und das Gefühl, als Mutter versagt zu haben. Die Kindheit, die ich meinen Kindern gerne geboten hätte, werden sie nie haben.
Mein Leben ist nun schwerer, mein Herz jedoch wesentlich leichter. Und die Verletzungen heilen nach und nach. In den letzten beiden Jahren, in denen ich Single war, habe ich mir keinen Partner an meine Seite gewünscht. Hier und da hatte ich eine lockere Liebelei. Ohne tiefgründige Gefühle und ohne, dass die Kinder davon etwas mitbekommen haben. Auch mit meinem Exmann bin ich das ein oder andere Mal noch im Bett gelandet, was wiederum – im Nachhinein betrachtet – sehr unklug war. Aber wann tut die Liebe schon etwas wirklich Kluges? Richtig unklug sogar war ihre letzte Idee, sich über mich und ausgerechnet einen verheirateten Familienvater zu legen.
Nun bin ich eine dieser Frauen, die ich bis vor zwei Jahren noch abgrundtief verachtet und verurteilt habe. Ich schreibe mit ihm, ich treffe ihn, ich küsse ihn. Auch, wenn wir nicht miteinander schlafen ist mein schlechtes Gewissen inzwischen unmessbar groß. Trotzdem schaffe ich es nicht, ihn zu vergessen. Mit seiner Frau läuft es seit Jahren schlecht. Einige Male hatten sich die beiden getrennt. Zeitweise war er ausgezogen. Doch immer wieder war er zu ihr zurückgekehrt. Hauptsächlich aus Pflichtbewusstsein. Vielleicht auch aus Bequemlichkeit, so genau weiß ich es nicht.
Ich denke an seine Frau, an seine Kinder und an all die Konsequenzen, die eine Trennung mit sich bringen würde. Ich trage diese Konsequenzen nun selbst seit zwei Jahren. Scheidung, Unterhalt, Besuchszeiten, Sorgerecht – das alles gleicht zeitweise einem Kampf. Ich wünsche wirklich keiner Frau, dieses Schicksal mit mir zu teilen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass eine kaputte Ehe aufrecht zu erhalten ebenso ein Kampf sein kann. Ein Kampf, der ermüdet, entkräftet und unglücklich macht. Kinder spüren, wenn ihre Eltern unglücklich sind und in vielen Fällen leiden sie nach einer Trennung weniger, als sie in der „vermeintlichen Bilderbuchfamilie“ zuvor gelitten haben. Doch habe ich das Recht, Teil einer solchen Entscheidungsfindung in einer fremden Ehe zu sein? Ich möchte nicht der Auslöser sein, der eine Familie auseinander reißt.
Mein Gewissen kämpft gegen meinen Egoismus, mein Herz gegen meinen Kopf.
Irgendwo dazwischen muss ich als Mutter funktionieren und kann mir keinen Liebeskummer erlauben. Wenn ich an diesen Mann denke, kribbelt es in meinem Bauch, bei jeder seiner Nachrichten bekomme ich Herzklopfen. Ich denke an ihn, wenn ich schlafen gehe und ich denke an ihn, wenn ich aufwache. Wie ein Teenager fühle ich mich in seiner Gegenwart und es fühlt sich unglaublich gut an. Dass diese Verliebtheit nicht für immer anhält und dass auch bei uns eines Tages Alltag einkehren würde, ist mir durchaus bewusst. Eine gemeinsame Zukunft mit ihm an meiner Seite kann ich mir trotzdem sehr gut vorstellen.
Die Tatsache, dass wir nicht miteinander schlafen, beruhigt mein Gewissen momentan ein ganz klein wenig. Das Verlangen nach ihm wächst jedoch immer mehr und ich sehne mich sehr danach, ihn ganz nah zu spüren. Wir wissen beide, dass wir diese Grenze nicht überschreiten dürfen. Eine Garantie dafür, dass wir uns daran noch lange halten, gibt es nicht.
Ich bin hin- und hergerissen. Fühle mit seiner Frau, in deren Situation ich selbst lange genug gesteckt habe. Ich denke an seine Kinder und an all die Herausforderungen, die sich uns stellen würden, wenn wir uns für eine gemeinsame Zukunft entscheiden würden. Nein, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Doch ich weiß ganz sicher, dass sehr bald eine Entscheidung getroffen werden muss.
Eine Verliebtheit, die keine seien dürfte – oder etwa doch? Dieses Thema ist so priker und wird immer wieder unter den Tisch gekehrt. Daher gebe ich hier Raum und hoffe damit, der ein oder anderen Frau Mut zu zu sprechen. Sie ist nicht die Einzige.
Wie sehr ihr dieses Thema und könnt Ihr Euch in die Autorin hineinversetzen???
In diesem Sinne ~ ich bin dankbar für diese offenen Worte und wahre die Anonymität gerne.