Bin ich noch Pflegemutter oder hab ich mein Kind verloren? Wenn eine Pflegefamilie die Volljährigkeit erreicht, kann es weh tun. Abschied.

Ich wollte Euch mehr zum Thema Pflegschaft erzählen, aber ich wollte von vorn damit beginnen. Wie wird man Pflegemutter bzw. Pflegeeltern? Was sind die Aufgaben von Eltern mit einem Pflegekind und welche Schritte kommen nach den vorher gegangenen. Doch die Gedanken rennen in meinem Kopf herum und ich fange an die Geschichte von hinten zu erzählen. Ich kann es nicht anders. Es muss raus.

Mein Großer Junge ist 18 und ausgezogen. Er fliegt nun mit seinen Flügeln. In der Pflegeeltern Gruppe hatte ich gestern Abend gesagt, wir kommen nicht mehr…. heute rennt das Thema Pflegschaft in meinem Kopf herum ….

Abschied von der Pflegemutter in mir?!

Dienstag, da war ich auf meinem wohl letzen Treffen der Pflegeeltern und das Thema lässt mich heute nicht zur Ruhe kommen. Ich hab mich bedankt und verabschiedet bei und von der Gruppe von Eltern, die mich durch die letzten Jahre getragen haben. Eine Situation die sich unrichtig anfühlt. Nicht falsch, aber auch nicht richtig.

Im November wurde unser Pflegesohn Volljährig. Er wurde 18 und damit sollte seine große Freiheit beginnen. Wer mir auf Twitter folgt, der hat mitbekommen, wie der Auszug gelaufen war. Weihnachten. Laut und emotional. Mit vielen Tränen. Dazu vielleicht aber später.

Wenn aus Wurzeln Flügel werden

Wir geben unseren Kindern Wurzeln und Flügel. Es war klar, das er fliegen wollen wird. Das war mir irgendwie bewusst und irgendwie eben doch nicht.

Ich erinnere mich daran, wie ich 18 wurde. Ich war im Heim und wollte unbedingt in diese Wohnung, die ich mir ausgesucht hatte. Leider hatte ich aber erst am 19.9. Geburtstag und so musste ich bis zum 01.10.2002 warten, denn Mietverträge laufen zum 01. oder 15. an. Ja nicht mal für diese wenigen Tage gab es für mich die Möglichkeit. Was machte ich also? Ich schlief ab dem 20.09. woanders. Im Heim „hatten die Erzieherinnen mir nichts mehr zu sagen“ argumentierte ich und doch kam ich noch nicht in diese Wohnung rein. Das war unfair und gemein von mir. Aber das sehe ich erst heute. Und genau so war es mit dem Großen Jungen. Er wollte frei sein und ich sollte ihm „nichts mehr zu sagen haben“. Er war 18 und die Welt schien so offen.

Einer zieht und einer reißt…. wenn man Angst vor dem Verlust hat.

Heute verstehe ich es besser. Und auch wenn es noch schmerzt, dieser Verlust, so kann ich klarer sehen als am 25.12.2016. Der Tag an dem wir uns gegenseitig anbrüllten. Der eine, weil er losreißen und die andere, weil sie festhalten wollte. Das war ganz klar mein Fehler!

Wir wurden plötzlich zusammengewürfelt, wuchsen aneinander und dann?

Wisst Ihr, als 2013 plötzlich dieser Junge vor unserem Haus stand und in meine offenen Arme kam, da passierte mehr, als ihn nur auf zu nehmen. Da passierte mehr zwischen uns wie zwischen Tante und Neffe. Ich kämpfte wie eine Löwin und stellte mich jeglichem Hindernis. Ich brüllte, ich kratzte und ich riss, was sich mir in den Weg stellte. Irgendwann saß ich an meinem Schreibtisch und plötzlich spürte ich etwas: Muttergefühle.

Ich hab (m)ein Kind verloren!?

So fühlte es sich in den letzen Wochen an. Irgendwie auch meine Identität, zumindest die als Pflegemutter. Beendet war die Pflegschaft offiziell seit November, mit dem 18. Geburtstag meines Jungen. Vor dem Jugendamt war ich ab diesem Moment keine Pflegemutter und mein Mann kein Pflegevater mehr. Aber wie sah das denn bei mir aus? Bei uns? Meine Freundin sagte mir „Du wirst für mich immer die Pflegemutter sein“ und mit der Verabschiedung aus der Pflegeeltern-Gruppe wird es mir klar: Ich werde immer seine Pflegemama sein. Und Mamas tut eben auch mal das Herz weh.

Einmal Mutter immer Mutter – auch als Pflegemutter

Seit Dienstag flossen einige Tränen und mein Kopf konnte überhaupt nicht mehr denken, aber nun, nun strahlt mir beim Schreiben dieser Zeilen die Sonne ins Gesicht. Ich war, bin und werde immer SEINE PFLEGEMUTTER sein. Egal wo er wohnt und wie hoch er fliegen mag, er ist mein Großer Junge!

Habt Ihr auch Angst vor diesem Moment, wenn Eure Kinder ausziehen?

In diesem Sinne – je mehr wir loslassen um so fester wird unser Band (an dieser Aussage halte ich mich gerade ganz doll fest)!

P.S. Warum beim Auszug gebrüllt wurde und weshalb er diesen Weg gewählt hatte, dazu vielleicht später. Nur so viel – manchmal sind Wege geebnet, wir wissen es nur nicht immer. Ich möchte darüber schreiben, aber nun werde ich erst mal wieder etwas Kraft sammeln, positiv und etwas leichter in die Welt strahlen.